Ein ganz normaler Tag in der Zukunft – und was er uns über eine neue Wirtschaft erzählt

Wie könnte eine Wirtschaft aussehen, die wirklich dem Leben dient?

Diese Frage stand im Zentrum einer besonders inspirierenden Session des Wissensmoduls „GAINING KNOWLEDGE“ der CHANGEMAKER AKADEMIE. Es war nicht nur ein theoretisches Nachdenken über Alternativen zum bestehenden Wirtschaftssystem – es war ein kollektives Eintauchen in ein neues Denken.
Ausgangspunkt war eine mutige Hypothese:
Was wäre, wenn 80 % unserer grundlegenden Bedürfnisse – wie Wohnen, Nahrung, Bildung, Mobilität oder Energie – durch gemeinschaftlich organisierte Strukturen, sogenannte Commons, abgedeckt würden?

In dieser Session ging es darum, mehr als nur Wissen zu gewinnen. Es ging um Vorstellungskraft, um gemeinsame Visionen und um den Mut, Wirtschaft radikal neu zu denken: regenerativ, gerecht, kooperativ.
Während Dieser Session entwickelte eine Gruppe entwickelte  Traumreise – eine sinnliche Einladung in eine Welt, in der Wirtschaft nicht auf Ausbeutung basiert, sondern auf Verbundenheit. Eine Welt, in der Wert nicht in Geld, sondern in Beziehung, Zeit und Sinn gemessen wird.

🎧 Die entstandene Traumreise kannst du hier anhören oder im weiteren Verlauf nachlesen. Willkommen in Deiner Utopie. Willkommen in der Realität von morgen:

 

🫧 Traumreise: Ein ganz normaler Tag in der Zukunft

Schließe, wenn du magst, deine Augen.
Atme tief ein… und langsam wieder aus.
Noch einmal… ein… und aus…
Lass deinen Körper zur Ruhe kommen. Dein Geist darf wandern.
Stell dir vor, du wachst auf – in einer Zukunft, die ganz anders ist, und doch ganz real wirkt.

Die Sonne fällt durch große, bodentiefe Fenster. Du blinzelst. Die Luft ist mild. Draußen siehst du Bäume, eine Bank unter einem Feigenbaum, zwei Kinder, die Kreidebilder auf den Boden malen.

Du stehst auf, streckst dich. Es riecht nach frischem Brot und Rosmarin. In der offenen Wohnküche haben ein paar Nachbar:innen schon Frühstück vorbereitet. Du nimmst dir ein Stück vom Sauerteigbrot, das gestern in der alten Bäckerei um die Ecke gebacken wurde. Die Bäckerei ist jetzt ein gemeinschaftlicher Backraum. Jeder kann ihn nutzen. Backtage sind ein soziales Ereignis geworden.

Du schnappst dir deine Wasserflasche. An jeder Straßenecke gibt es Zapfstellen mit frischem Quellwasser. Kein Plastik, kein Einweg, kein Transport. Das Wasser gehört allen – und ist für alle da.

Auf deinem Weg durch das Viertel schlenderst du vorbei an ehemaligen Supermärkten. Die Logos verblasst, die Rolltreppen übermalt. Drinnen: Leben. In einem Laden stehen Regale voller Dinge: Kleidung, Werkzeuge, Bücher, Spielsachen. Nicht sortiert nach Preisen, sondern nach Geschichten. An jedem Gegenstand hängt eine kleine Notiz: „Diese Jacke hat mich durch zwei Winter getragen. Vielleicht wärmt sie nun dich.“ Du nimmst ein Paar Schuhe mit. Eine Gegenleistung ist nicht notwendig.

Ein paar Straßen weiter: Ein riesiger Glasbau – einst ein Einkaufszentrum. Heute: Tauschhaus, Werkstatt, Diskussionsforum und Lernort. Du gehst hinein. Links eine Holzwerkstatt. Drei Jugendliche bauen aus alten Schulmöbeln eine Sitzlandschaft. Hinten rechts ein Denkraum. Ein Soziologe spricht über digitale Allmenden, eine Frau aus Kamerun erzählt von gemeinschaftlich genutzten Solarnetzen in ihrer Region.

Du setzt dich zu einem Lesekreis. Das Thema heute: „Wie sieht Fürsorge aus, wenn niemand mehr bezahlt wird?“ Die Diskussion ist lebhaft. Du bringst dich ein. Alle bringen sich ein. Bildung ist nichts, was du konsumierst. Es ist ein Feld, in dem du wächst und andere mit dir.

Nachmittags hilfst du im Materiallager. Es liegt ironischerweise in einem alten Amazon-Logistikzentrum. Heute ist es ein riesiger Umschlagplatz für Materialien: Metallteile, Stoffreste, Kabel, Fensterrahmen, Laptops, Platinen. Alles, was produziert wurde, wird katalogisiert, gereinigt und bereitgestellt. Es wird fast nichts Neues mehr hergestellt – weil alles schon da ist. Du sortierst Schrauben, sprichst mit einer Designerin, die aus alten Fahrradteilen Lampen baut. Ein junger Programmierer tüftelt an einer Lernplattform für afrikanische Bibliotheken. Die Software ist frei, quelloffen, und in alle Sprachen übersetzt von einem globalen Netzwerk.

Abends, auf dem Rückweg, kommst du durch das alte Industriegebiet. Jetzt stehen hier Gewächshäuser, Lehmhäuser, ein offenes Kino. Überall sitzen Menschen, essen zusammen, spielen Musik. Ein Mädchen singt, jemand tanzt. Du setzt dich dazu. Neben dir erzählt ein Mann von einem neuen Projekt mit einer Gemeinschaft in Chile. Dort teilen sie sich landwirtschaftliche Daten, lernen von einander Methoden und tauschen Saatgut.

Du denkst kurz nach…
Kein Geld ist heute geflossen.
Du hast nichts gekauft.
Und doch:
Du hattest ein Frühstück.
Neue Schuhe.
Eine lebendige Diskussion.
Du hast beigetragen  und hast empfangen.
Du hast gearbeitet und gelernt.
Du hast dich eingebracht und wurdest gesehen.

Und du erinnerst dich:
Die Welt funktioniert heute anders.
Nicht mehr durch Konsum, sondern durch Beitrag.
Nicht mehr durch Eigentum, sondern durch geteilte Verantwortung.
Nicht mehr durch Grenzen, sondern durch Beziehungen.
Überall. Global. Dezentral. Miteinander vernetzt.

Atme jetzt einmal tief ein… und aus…
Spüre, wie sich dieser Tag angefühlt hat.
Nicht wie eine ferne Utopie, sondern wie ein echtes Morgen.
Vielleicht auch näher, als du denkst.

Wenn du so weit bist, bewege deine Finger, deine Füße.
Atme noch einmal tief durch – und öffne langsam deine Augen.

Willkommen zurück in deiner Utopie.

 

Utopien als wichtiges Tool für Changemaker

Die Traumreise war mehr als eine kreative Methode. Sie ist eine Erfahrung. Positive Effekte von Utopien sind häufig emotional berührend und konkret. Utopien machen regenerative Wirtschaft greifbar.
Durch das gemeinsame Erträumen dieser Zukunft wird ein innerer Kompass aktiviert. Es entsteht Klarheit darüber, was es braucht, um dorthin zu gelangen: neue Denkweisen, neue Beziehungen, und den Mut, vertraute Systeme zu hinterfragen.

Die Traumreise war ein erster Schritt, diese Zukunft zu verkörpern. Und vielleicht auch eine Erinnerung: Dass Veränderung nicht immer laut und revolutionär sein muss. Manchmal beginnt sie ganz still – mit einem Atemzug, einem Gedanken, einem inneren Bild.

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