Demokratie und Klimaschutz - geht das zusammen?

Prof. Hedwig Richter lehrt an der Universität der Bundeswehr München für Neuere und Neueste Geschichte. Ihre Forschung befasst sich oft mit Demokratie, Geschlechtergeschichte und Gesellschaftswandel. Sie ist u.a. Autorin des Buchs Demokratie und Revolution - Wege aus der selbstverschuldeten ökologischen Unmündigkeit.

In unserem monatlich stattfindenden Entrepreneur Talk mit unserer CRITICAL FRIENDS COMMUNITY war diesmal Prof. Hedwig Richter zu Gast. Sie unterrichtet an der Universität der Bundeswehr.
Es ging um die Frage, wie und ob Demokratie und Klimaschutz zusammenhängt. Eine Zusammenfassung der spannenden Diskussion mit Hedwig.

Die Stärken und Schwächen der repräsentativen Demokratien bei der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen

In einer zunehmend globalisierten Welt, die mit enormen ökologischen und sozialen Herausforderungen konfrontiert ist, stellt sich immer wieder die Frage: Können repräsentative Demokratien diesen Herausforderungen wirklich gerecht werden? Historische und gegenwärtige Perspektiven bieten spannende Einblicke in die Potenziale und Grenzen dieses politischen Systems.

Demokratische Schnelligkeit und Visionäre Führung

Repräsentative Demokratien zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, durch gewählte Vertreter*innen schnelle Veränderungen herbeizuführen. Ein Vorteil dieses Systems ist die Möglichkeit, innerhalb von vier Jahren politische Veränderungen umzusetzen, die tiefgreifende Auswirkungen haben können. Doch dieser Mechanismus ist nur dann effektiv, wenn eine breite öffentliche Unterstützung für die notwendigen Maßnahmen besteht. Hedwig betont die Rolle entschlossener Führung, die mit einer klaren Vision und einem entschlossenen Handeln den öffentlichen Rückhalt für oftmals unpopuläre, aber notwendige politische Entscheidungen gewinnen kann. Ein Beispiel aus der Geschichte zeigt, wie Staaten, die mutige, wenn auch zunächst unbeliebte, Reformen umsetzten, langfristig die öffentliche Unterstützung erlangten – ein Konzept, das auch heute dringend nötig wäre, gerade in Zeiten der Klimakrise und sozialen Ungerechtigkeiten.

Demokratische Klimaschutzmaßnahmen und Wirtschaft

Der Erfolg demokratischer Klimaschutzmaßnahmen hängt nicht nur von ökologischen Zielen ab, sondern auch von den wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Maßnahmen. Solange diese nicht das materielle Wohl der Bevölkerung gefährden, werden sie in der Regel akzeptiert. Doch die langfristige Perspektive ist entscheidend: Kurzfristige Opfer, etwa der Rückzug aus bestimmten Industrien, könnten für nachhaltige Klimamaßnahmen notwendig sein. Diese Herausforderungen bieten Spielraum für gesellschaftliche Uneinigkeiten, vor allem wenn der Übergang wirtschaftliche Härten mit sich bringt. Auch hier kann eine klare Vision helfen, den Wandel zu begleiten und die öffentliche Unterstützung zu sichern.

Wirtschaftliche Belastungen und politische Populismen

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten stehen Demokratien vor der Herausforderung, die Unterstützung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Populistische Parteien bieten einfache Lösungen, die nicht immer den tiefgründigen Wandel ansprechen, den eine nachhaltige Gesellschaft benötigt. Hedwig warnt vor der Gefahr, dass solche Vereinfachungen die demokratische Diskussionskultur untergraben könnten. Auch der Widerstand gegen die Reichensteuer und die Umverteilung von Wohlstand stellt sich als eine Hürde für den notwendigen gesellschaftlichen Wandel heraus. Eine angemessene Reform des Steuersystems, um die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen, könnte hier eine Lösung bieten.

Repräsentative Demokratien und die Rolle von Wohlstand

Wohlstand ist die Grundlage für das Aufblühen einer Demokratie. In vielen Ländern konnte der Wohlstand vor dem Ersten Weltkrieg eine breite Basis für demokratische Teilhabe schaffen, auch wenn dieser Wohlstand zunächst nur wenigen zugänglich war. Doch durch Industrialisierung und den Aufbau eines Sozialstaates wurde er zunehmend für größere Teile der Gesellschaft zugänglich. Für das heutige Verständnis von Demokratie ist es jedoch entscheidend, diese Grundlagen weiter auszubauen und soziale Gerechtigkeit als zentrales Ziel anzuerkennen.

Gesellschaftliche Werte und die ökologische Transformation

Ökologische Transformation muss mehr sein als der bloße Konsum von mehr Autos und größeren Wohnungen. Hedwig fordert eine grundlegendere Auseinandersetzung mit den Werten, die unsere Gesellschaft prägen. Wenn wir sagen "meinem Kind solls besser gehen" - dann geht es nicht mehr um reinen finanziellen Wohlstand, sondern um ein besseres, gerechteres Leben für alle, das mit den planetarischen Grenzen im Einklang steht. Eine Gesellschaft, die die Klimakrise ernst nimmt und ihren Ressourcenverbrauch nachhaltig reduziert, wird ihren Kindern eine lebenswerte Zukunft hinterlassen – ohne dabei den Planeten zu zerstören.

Demokratie im Angesicht von Krisen

Populistische Strömungen florieren in Zeiten der Krise, was auch die aktuelle geopolitische Lage – etwa der Krieg in der Ukraine – verdeutlicht. Diese Krisen verstärken die Widersprüche zwischen ökologischen Forderungen und den unmittelbaren wirtschaftlichen Bedürfnissen der Bevölkerung. In solchen Zeiten ist es umso wichtiger, dass Demokratien nicht nur rhetorisch auf die Krise reagieren, sondern konkrete Lösungen entwickeln, die sowohl ökologisch als auch sozial gerecht sind. Der Rückgriff auf populistische Ideen, die den Klimawandel leugnen oder ihn als nebensächlich abtun, ist eine gefährliche Entwicklung, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet.

Die Verantwortung der Eliten und die Zukunft der Demokratie

Die Verantwortung der Eliten in der politischen Führung darf nicht unterschätzt werden. Historisch gesehen war es oft der Intellektuelle und fortschrittliche Eliten, die das Volk dazu motivierten, sich in demokratische Prozesse einzubringen und von der Bedeutung der Wahlen zu überzeugen. Auch heute braucht es eine klare Führung, die nicht nur das unmittelbare Wohl der Bevölkerung im Blick hat, sondern langfristig die Weichen für eine gerechte und nachhaltige Gesellschaft stellt.

Doch der Weg zu einer funktionierenden Demokratie ist nicht einfach. Vollständige Beteiligung aller Bürger*innen ist in einer komplexen Gesellschaft unrealistisch. Vielmehr sollte die Demokratie so gestaltet werden, dass auch mit niedrigen Partizipationsraten Entscheidungen getroffen werden können, die auf das Wohl aller ausgerichtet sind. Ein wichtiger Punkt hierbei ist, dass politische Entscheidungen nicht nur auf individuellen Interessen beruhen, sondern eine informierte und verantwortungsbewusste Gesellschaft voraussetzen.

Fazit: Die Demokratie als Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft

Die aktuelle politische Krise erfordert nicht nur eine Anpassung der Institutionen, sondern vor allem ein Umdenken in den Köpfen der Menschen. Die Demokratisierung des Klimawandels, der ökologischen und sozialen Gerechtigkeit darf nicht nur als langfristiges Ziel verstanden werden, sondern muss jetzt begonnen werden – mit klarer Führung, Visionen und der Bereitschaft, auch unangenehme Entscheidungen zu treffen. Der Schlüssel liegt in einer demokratischen, aber entschlossenen Gesellschaft, die die Veränderungen, die notwendig sind, mitgestaltet. Wir müssen uns darauf besinnen, dass Demokratie nicht nur das Recht auf Teilhabe bedeutet, sondern auch die Verantwortung, für die Zukunft unseres Planeten einzutreten.

Diese Herausforderungen sind gewaltig, aber die Chance, eine gerechtere und nachhaltigere Welt zu schaffen, ist ebenso groß.

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Wie die CHANGEMAKER AKADEMIE mir eine neue Perspektive gegeben hat: Katharina Boxberg

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